Nicola Meier, wie arbeitest Du?

Ein Schreibtick?
Gilt es als Schreibtick, erstmal vor dem Rechner und einem Haufen Material zu sitzen und nicht anzufangen? Das tritt bei mir jedenfalls am häufigsten auf, leider.

Ein Schreibtrick?
Eine meiner Lieblingskolleginnen nennt es „erstmal Masse produzieren“. Bedeutet: Erstmal schreiben, um zu schreiben. Gut wird es dann später.

Ein Text von dir, den du heute anders schreiben würdest?
Wenn ich sie nochmal lesen würde, wahrscheinlich die meisten. Es gibt ja Schreiber:innen, die geben einen Text ab und sind total zufrieden. Ich bin kurz erleichtert, dass das Schreiben vorbei ist. Aber dann grüble ich bis zum Druck noch über einzelne Passagen.

Auf welchen deiner Texte bist du stolz?
Ich mag ein Porträt sehr, das ich über Elke Büdenbender geschrieben habe. Interessanterweise ein Text, mit dem viele Männer nichts anfangen konnten, auch Kollegen nicht. Das hat mich damals erst total verunsichert, weil ich ausnahmsweise mal zufrieden war. Zum Glück mochten viele Frauen den Text aber auch sehr.

Gutes Redigieren heißt für dich...?
Dass jemand sich Zeit nimmt und mit dem Text auseinandersetzt. Ihn besser machen will, ohne seinen eigenen Stil durchdrücken zu wollen. Im Idealfall hat man jemanden, dem oder der man schreiberisch voll vertraut. Da streiche ich dann auch, ohne noch groß nachzudenken, selbst wenn es weh tut.

Wie hat sich Corona auf den erzählerischen Journalismus ausgewirkt?
Gut ist, glaube ich, dass klar wurde: Auch unter erschwerten Bedingungen können super Texte entstehen. Reportagen waren natürlich schwerer zu recherchieren, aber es gibt ja auch andere tolle Formen: Interviews, Essays. Im ersten Jahr der Pandemie habe ich wenig vermisst. Im zweiten Jahr hatte ich dann schon den Eindruck, dass wirklich sehr viel vom Schreibtisch aus gedacht und geschrieben wurde. Ich merke auch, wie sehr ich mich über Texte freue, wo jemand unterwegs ist, vor Ort recherchiert, nah an Menschen ist. Bestes Beispiel, gerade erschienen: Henning Sußebach, der in einen Bus nach Kiew steigt und mit den Menschen redet. Fantastischer Text! 

Welchen Text einer anderen Autor:in hättest du gern selbst geschrieben?
Ich überlass ihn gern der Autorin, die ihn geschrieben hat, aber lobe ihn hier einfach nochmal: „Herr Schröder will es allen zeigen“, von Britta Stuff. Ich habe den durch Zufall neulich nochmal gelesen und er ist einfach so großartig, auch noch zehn Jahre nach Erscheinen.

Schönster erster Satz?
Erste Sätze sind mir recht egal. Gute erste Absätze finde ich wiederum total wichtig.

Geheimtipp, der jeden Text besser macht?
Wenn Zeit ist: Liegenlassen, auch wenn’s schwer fällt, und nach ein, zwei Tagen wieder mit Abstand und kaltem Blick dran. Wenn keine Zeit ist: Jemandem den Text geben, selbst wenn er noch nicht ganz fertig ist, und drüber reden.

Was liest du gerade?
Noch nicht angefangen, aber liegt hier schon: „Wir waren wie Brüder“ von Daniel Schulz.

Nicola Meier, geboren 1979, ist Reporterin beim Süddeutsche Zeitung Magazin. Vorher arbeitete sie fürs ZEITmagazin und das Dossier der ZEIT. Im letzten Jahr gewann sie den Reporter:innen-Preis in der Kategorie "Beste Reportage".

Nicola Meier bei der SZ