Diese Texte der stern.de-Serie wurden von der Vorjury für den Henri-Nannen-Preis 2009 in der Kategorie Dokumentation vorgeschlagen.
Und ich sagte mir: Hey, was gibt es heute schon noch für Abenteuer? Alle großen Berge sind bestiegen, die Welt wurde mit dem Ballon umrundet und der Atlantik von Männern und Frauen durchschwommen. Dann merkte ich, dass die wahren Herausforderungen vor der Haustür liegen, und dass absurde Anstrengungen keinen weltläufigen Superlativ benötigen. Das öffentliche Nahverkehrsnetz in Nordhessen und den angrenzenden Regionen! Wo die Bevölkerung zurück geht, gibt es auch immer weniger Busse und Bahnen. Den Streckenschließungen sei Dank: Von Frankenberg nach Holzminden, Luftlinie 120 Kilometer, direkter Weg - fünfeinhalb Stunden mit fünf Umstiegen über insgesamt sieben Bahnhöfe. Verdammt. Mein Plan stand fest.
Es ist morgens um halb neun in Frankenberg an der Eder, Bahnhof, Sonnenschein, und die große Herausforderung fängt ganz klein an: Ich möchte die erste Teilstrecke nach Korbach fahren, doch der richtige Bus ist weit und breit nicht zu sehen. Irgendwo neben dem brüchigen Putz der alten Wartehalle steht ein roter Bahnbus, doch der brummt nicht. Von hinten kommt Momente später ein silberfarbener Schulbus mit viel zu engen Sitzreihen angefahren, neongelbe LED-Anzeige. Treffer.
Früher gab es einmal eine Bahnlinie nach Korbach, doch die wird seit über 20 Jahren nicht mehr bedient. Es folgte eine regelmäßige Buslinie, meist mit komfortablen Bahnbussen. Jetzt fährt morgens eine private Firma, die auch Schulbuslinien in der Region stellt. Der Fahrer scheint mental noch voll auf Kinderbetreuung gepolt zu sein. Er sitzt hinterm Lenkrad, schielt missmutig auf meine Bäckertüte. "Du kannst hier schon essen", sagt er. "Aber pass bloß auf, dass Du nicht so viel krümelst."
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